Die Trolle der nordischen Folklore sollen fiese Kreaturen
von enormer Kraft und riesigem Appetit sein. Ihre groteske Physis verleiht ihnen
einen komischen Touch, doch der Humor bewegt sich eher auf der düsteren Seite,
denn schließlich verzehren sich diese Nachtwesen nach menschlichem Fleisch – was
ihnen, wenig überraschend, einen eher schlechten Ruf eingebracht hat. Alles in
allem sind FINNTROLL die perfekte Verkörperung all jener Vorstellungen – obwohl
man den Hunger nach menschlichem Fleisch wohl eher durch den unstillbaren Durst
nach Alkohol ersetzen sollte. Mit ihrem sechsten Longplayer, „Blodsvept“, kehren
FINNTROLL zu der grimmigen Härte ihrer schwarzen Ursprünge zurück, ohne dabei
die perfekte Balance zwischen angedunkelter MetalWildheit und melodischen, von
finnischer und anderer Folk Music beeinflussten Elementen aus den Augen zu
verlieren. „Wir sind einen Schritt zurückgegangen“, erklärt Haupt-Songwriter
Trollhorn. „Die Produktion ist weniger poliert und schräg. Als grobe
Orientierung kann man sagen, dass „Blodsvept“ den Irrsinn von „Nifelwind“ (2010)
mit dem klassischen Ansatz auf „Nattfödd“ (2004) verbindet.“ Laut seinem
Erschaffer kann „Blodsvept“ mit drei Worten beschrieben werden: Rohheit, Power
und Melodie. Man füge Spaß hinzu und dann trifft es das ziemlich perfekt. Der
Legende nach wurden FINNTROLL in einer betrunkenen Nacht im März 1997 gegründet.
Angespornt von einer deftigen Dosis Bier und Wodka schien es eine großartige
Idee für Gitarrist Somnium (Ex-Thy Serpent, Impaled Nazarene) und Sänger Katla
zu sein, volkstümliche Melodien im Humppa-Stil der finnischen Polka mit harten
Gitarren zu mischen. Als die beiden wieder nüchtern waren, hatte dieses Konzept
seinen ursprünglichen Reiz nicht verloren – und die mächtigen FINNTROLL waren
geboren. Nach vielem Fein- oder eher Grobtuning nahmen FINNTROLL ihr legendäres
„Rivfader“-Demo auf, das eine Tür für weitere Musiker öffnete, die sich der Band
anschlossen und das Line-up komplettierten. Unter diesen Original-Mitgliedern
befanden sich Drummer Beast Dominator (Barathrum, Rapture), Moonsorrows
Keyboarder Trollhorn, Tundra am Bass und Gitarrist Skrymer. Ein erster
Plattenvertrag wurde unterzeichnet – wobei sich die Band eins von mehreren
interessanten Angeboten aussuchen konnte – und nur ein Jahr später eroberte ihr
Debütalbum „Midnattens Widunder“ (1999) die Welt im Sturm. FINNTROLLs extrem
originelles Gebräu, das im Black Metal und Humppa verwurzelt war, erwies sich
als äußerst ansteckend. In diesem Kielwasser folgten viele Musiker und
veränderten ihren höchsterfolgreichen Stil nach ihren eigenen Bedürfnissen. Es
ist kein Geheimnis, dass beispielsweise Bands wie Ensiferum, Turisas,
Korpiklaani oder Wintersun ihren folkigen Sound zu einem gewissen Grad unseren
lieben Trollen verdanken. Trotz ihrer oft brutalen, extrem antireligiösen und
derben Lyrics haben es die Finnen geschafft, damit durchzukommen – was
vermutlich am ausschließlichen und anhaltenden Verwenden der schwedischen
Sprache liegt. Mit „Jaktens Tid“ gelang FINNTROLL im Jahr 2001 der
internationale Durchbruch, und sie erreichten, unterstützt von einhelligen
Lobeshymnen auf der ganzen Welt, die VÖ-Termin: 22. März 2013 Top20 der
finnischen Charts. Außerhalb Finnlands lizensierte Century Media dieses
Meisterwerk, damit es den ganzen Globus mit trollischem Wahnsinn infizierte.
Doch der Erfolg forderte einen hohen Preis, denn das Schicksal traf FINNTROLL
hart: Zuerst musste Katla aufgrund ernsthafter Halsprobleme ersetzt werden. Nach
einigen Proben entschied sich die Band für Tapio Wilska (Sethian, Ex-Nattvindens
Gråt etc.), der sich als absoluter Glücksgriff erwies. Danach drohte der
tragische Unfalltod von Teemu „Somnium” Raimoranta die Band endgültig zu
beenden. Doch seine Freunde entschlossen sich, Teemus Vermächtnis zu ehren,
indem sie seinen Traum weiterführten. Routa, der ohnehin schon bei mehreren
Anlässen als Ersatzgitarrist eingesprungen war, wurde nun Vollzeitbandmitglied.
Mit diesem Line-up veröffentlichten FINNTROLL 2004 „Nattfödd“, das die Band
sowohl musikalisch als auch bei Festival-Billings auf ein neues Level führte.
Aufgrund persönlicher Differenzen trennten sich FINNTROLL und Wilska in
Freundschaft, und 2006 kam Mathias „Vreth“ Lillmåns zur Trollhorde. Mit den
Alben „Ur Jordens Djup” (2007) und „Nifelvind” (2010) – letzteres chartete auf
#8 in Finnland und #31 in Deutschland – kämpften die Finnen tapfer und
erfolgreich weiter und zementierten ihre Position als Anführer des Genres. In
der Zwischenzeit spielten sie nonstop Headliner-Shows auf der ganzen Welt und
sorgten binnen kürzester Zeit für ausverkaufte Hallen. Musikalisch waren ihre
Kompositionen erheblich gereift, und was als Humppa begonnen hatte, beinhaltete
nun viele weitere Twists and Turns. Trollhorn, ein extrem vielseitiger
Songwriter und nebenbei Mastermind von Moonsorrow, erweiterte den
FINNTROLL-Sound mit Cleverness und Lockerheit und frischte ihn mit
unterschiedlichen Elementen wie Salsa oder Klezmer auf, ohne dabei je die
Wurzeln der Band zu verraten oder zu beschädigen. Nun begeben sich FINNTROLL mit
„Blodsvept“ auf ein neues musikalisches Abenteuer. Nach dem Motto „erwartet das
Unerwartete“ verbergen sich unter der rohen und aggressiven Oberfläche der
Scheibe jede Menge Überraschungen: Man nimmt Platz im Cotton Club, während einem
in „Rösets Kung“ New Orleans Dixie entgegenschlägt. „Skogsdotter“ bietet
duellierende Banjos, die zu einer Swing-Band mutieren, oder wie Trollhorn es
ausdrückt: „Wir hätten bei dem Song mal besser einen Kontrabass benutzt.“ Jeder,
der sich fragt, wie ein Videospiel mit Folkmusik klingen würde, bekommt mit „Ett
Folk Förbannat“ eine Antwort darauf. „Två Ormar” beschreibt Trollhorn als „Beetlejuice
auf Crack“ und den „Midvinterdraken“ bezeichnet er zärtlich als sein eigenes
„fliegendes Spaghettimonster“. Genie und purer Wahnsinn gehen auf diesem Album
oft Hand in Hand, doch FINNTROLL verlieren nie den Fokus für fesselnde und
kompakte Songs. Aber nun genug der Vorrede, jetzt genießt den begeisternden
Irrsinn von „Blodsvept“! |